Arbeitszeiterfassung – was gilt nun?

Arbeitsrecht

Bedeutsame Rechtsprechung zur Erfassung
Bereits 2003 hatte das BAG eine Verpflichtung des Arbeitsgebers zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten ausgesprochen (1 ABR 13/02). Aufzuzeichnen sind Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit jedes einzelnen, Über- und Unterschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Der EuGH hat 2019 im Europarecht entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, ein „System“ einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit jedes einzelnen gemessen werden kann (C-55/18). Das BAG hat 2022 in diesem Sinne entschieden, dass § 3 ArbSchG europarechtskonform auszulegen ist (5 AZR 474/92) der Arbeitgeber muss danach im Rahmen seiner Organisationspflichten auch eine objektive Zeiterfassung ermöglichen (Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich Pausen und Überstunden).

Folgen dieser Rechtsprechung
Das LG Niedersachsen (5 Sa 1292/20), das Hessische LAG (10 Sa 104/21) und das BAG haben die Rechtsauffassung des ArbG Emden zurückgewiesen, wonach die Behauptungen des Arbeitnehmers im Überstundenprozess versäumte Aufzeichnungen des Arbeitgebers im Überstundenprozess ersetzen sollten. Auch kann der einzelne Arbeitnehmer aus § 16 ArbZG keinen allgemeinen Auskunftsanspruch zur Dokumentation der Arbeitszeit gegen den Arbeitgeber durchsetzen (BAG 5 AZR 507/21). Die Verpflichtung zur Zeiterfassung gilt auch für Vertrauensarbeitszeit; wie ein Zeiterfassungssystem auszusehen hat, wird allerdings nicht vorgegeben hier ist ggf. der Gesetzgeber gefragt. Für Arbeitnehmer ist eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers im Ergebnis kaum „profitabel“.
Der Arbeitgeber ist allerdings gegenüber der Aufsichtsbehörde verpflichtet, Auskünfte zur Arbeitszeit zu erteilen (VG Hamburg 15 K 964/24). Dies folgt aus § 17 ArbZG. Werden solche Auskünfte nicht oder nur unvollständig erteilt, kann ein Bußgeld verhängt werden (§ 22 Abs. 1 Nr. 10 ArbZG).

J. Zimmermann, Rechtsanwalt